LUTZ PFANNENSTIEL IM WATSON-INTERVIEW

Lutz Pfannenstiel ist eine Fußball-Ikone und einer, der sich mit einem eigens gegründeten Verein für den Klimaschutz einsetzt. Im Interview erklärt er, welche guten Projekte es bereits gibt, was man zusätzlich tun könnte und welche großen Player endlich handeln müssen.

Wieso passen Fußball und Klimaschutz zusammen?

Lutz Pfannenstiel: Ich glaube, dass viele Fußballklubs wissen, welche Macht sie haben. Der Fußball verbindet. Wer ins Stadion geht, sieht, dass Fußball ein Spiegelbild der Öffentlichkeit ist. Es sind alle Gesellschaftsschichten auf einmal vereint. Da muss man die Message richtig rüberbringen. Was Vereine vorleben, wird von den Fans umgesetzt. Ich denke, das geht bereits in die richtige Richtung, aber man kann natürlich viel mehr machen. Fußball ist ein Spiel, das die Massen verbindet. Umweltschutz ist ein Thema, das die Massen verbinden sollte. Wenn man das Ganze kombiniert, bin ich der Meinung, dass gerade die Bundesliga-Vereine, die auch finanziell stabil sind, im Weltfußball als eine Art Vorreiter agieren können.

Mittlerweile hat sich mit der Klimajugend eine eigene Bewegung etabliert. Die haben zum Beispiel über die sozialen Medien auch einen Roger Federer angegriffen. Es trifft langsam alle Gesellschaftsbereiche, bald auch den Fußball?

Das ist möglich, der Fußball ist eine große Maschinerie, wo natürlich auch viele Sachen anders gemacht werden können. Ich finde die «Fridays for Future» im Großen und Ganzen eine gute Geschichte, aber man muss aufpassen, dass solche Aktionen nicht zum falschen Zweck ausgelutscht werden. Man muss da immer mit zwei Sichtweisen draufschauen. Ich bin der Meinung, dass man den Profifußball optimieren könnte, ja optimieren müsste, aber es geht nicht von heute auf morgen. Man braucht gute Ratgeber und gute Projekte. Einfach in den Wald reinzuschreien und sagen, dies und das müsse geändert werden, ohne Lösungen zu haben, das hilft halt am Ende des Tages auch nichts.

Was sind die vielversprechendsten Projekte für Fußballvereine?

Der Stadion- und Anlagenbau ist sehr wichtig. Man kann viel mit Solar arbeiten oder mit Wasser, das wiederverwendet wird. Ein wichtiger Punkt sind zum Beispiel auch die Trinkbecher im Stadion. Da sind zehntausende Leute im Stadion und viele Vereine haben halt noch die Einwegbecher. Was da an Plastikmüll zusammenkommt, ist abartig. Wenn da alle auf Pfandbecher umsteigen würden, wäre das schon eine brutale Einsparung.

Vereine wie Werder Bremen oder Hoffenheim engagieren sich bereits stark. Wann folgen weitere?

Ich glaube, das ist nur eine Frage der Zeit. Die ersten Vereine gehen voran, das wird sehr positiv aufgenommen. «Sports 4 Future» ist ein wunderschönes Projekt. Ich glaube, dass da die meisten Vereine nachziehen werden. Aber auch andere Klubs wie Mainz 05 leben es seit vielen, vielen Jahren überragend vor, wenn es um Klimaneutralität geht. Bei Düsseldorf haben wir uns auch schon gefragt, wie wir uns selber umweltfreundlicher aufstellen können. Ich vergleiche das immer so ein wenig mit einer Wahl. Da sagen sich Leute auch «wenn ich als Einzelner gehe, ist das eigentlich egal» und so wird auch teilweise der Umweltschutz angeschaut. Jede Kleinigkeit zählt, wie bei einem Schneeballsystem, das wird sich am Ende des Tages auszahlen. Man muss halt mitmachen und sich teilweise auch überwinden.

Die anderen Vereine sind also zu faul, um etwas umzustellen.

Ich glaube, das ist bei vielen Klubs nicht Bequemlichkeit, sondern eher die Struktur, die erst geschaffen werden muss. Man muss da auch bestimmte Verträge auslaufen lassen, das geht nicht immer von heute auf morgen.

Fußballer fliegen viel und haben dicke Autos. Können sie überhaupt gute Vorbilder sein?

Auch ich bin viel geflogen und fliege noch immer viel. Das ist aufgrund der Berufsgattung gar nicht anders möglich. Wir machen es auf alle Fälle so, dass wir unsere Flugmeilen kompensieren, teilweise auch die Autofahrten. Wir pflanzen zum Beispiel Bäume, das wird dann gegengerechnet – so können wir unseren CO2-Footprint verkleinern.

Welche Funktionäre könnten am meisten ändern?

Alle Vereinspräsidenten der großen Ligen. Für mich ist die englische Premier League weltweit noch immer die Liga, die den meisten Einfluss und die meiste Power hat. Ihre großen Vereine wie Liverpool, Manchester United oder Arsenal haben so viele Fans weltweit, das ist ein Multiplikator, den gibt es sonst eigentlich nicht im Profisport. Da müsste man ansetzen. Die Welt schaut nun mal auf die großen Ligen. Man kann natürlich auch ganz oben bei den Verbänden ansetzen wie FIFA und UEFA, die Statements machen könnten und sagen «Ja, wir wollen uns für die Umwelt einsetzen». Auch der Breitensport müsste in diese Richtung gehen. Der Fußball besteht ja nicht nur aus Profifußball.

Geht der Trend nicht in eine falsche Richtung? 2022 steht die Fußball-WM in Katar an …

Eine Winter-WM ist auf den Umweltschutz bezogen natürlich nicht ideal, mit den Kühl- und Klimaanlagen, die da aufgebaut werden, um die Stadien runterzukühlen. Das ist definitiv ein Energiefresser, aber man muss klar sagen, Fußball ist ein großes Business und Geld, welches da eingespielt wird, kann man auch gut wiedereinsetzen. Diese Gelder können vernünftig umgewandelt werden in Umweltprojekte, wo man das auch sehr gut gegenrechnen kann. Aber man muss sich halt auch drauf verlassen, dass die großen Verbände wirklich viel in den Umweltschutz und grundsätzlich in den Klimaschutz investieren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es dem Fußball was nützt, wenn man jetzt eine WM absagen würde. Das ist einfach der Trend der Zeit, trotzdem kann man was Gutes draus machen.

Warum beschäftigst du dich mit dem Klima- und Umweltschutz?

Ich war sehr viel unterwegs, habe die schönen Seiten gesehen, aber auch die wirklich hässlichen. Wie der Mensch mit der Natur und der Umwelt umgeht. Da gibt es grausame Beispiele. Das ist für uns alle ein wichtiger Punkt, dass wir die Kraft des Fußballs einsetzen, um auf das Problem des Umweltschutzes hinzuweisen. Mit Global United funktioniert das sehr, sehr gut. Fußballer haben schließlich eine sehr hohe Vorbildfunktion.

Nenn‘ doch mal konkrete Beispiele für die hässlichen Seiten, die du erlebt hast.

Die Art und Weise wie in Südostasien mit dem Müll umgegangen wird, ist sehr, sehr traurig. Da schwimmen überall in jedem Meer oder Gewässer Plastiktüten- oder Flaschen. In jedem Hinterhof brennt ein Feuer, wo Müll verbrannt wird. Das ist ein Thema, das allgegenwärtig ist und alle was angeht. Wir wollen ja, dass unsere Kinder auch auf einem vernünftigen Planeten leben und nicht auf der Müllkippe rumhängen.

Haben dich deine Schicksalsschläge wie die Gefängnisstrafe und die Nahtoderfahrung verändert?

Auf jeden Fall. Bevor meine harten Jahre kamen damals, habe ich auch von gestern auf morgen gedacht. Mich haben dann diese zwei Extremerlebnisse schon dazu gebracht, etwas anders durch die Welt zu laufen. Für mich war Fußball meine Leidenschaft, mein Beruf. Durch die unschuldige Gefängnisstrafe und die Nahtoderfahrung hatte ich danach schon einen anderen Fokus: Die Familie, gesund und frei zu sein. Das ist ganz was anderes, als einmal am Tag zu trainieren und am Wochenende nach dem Spiel wegzugehen und «einen auf Larry zu machen». Das relativiert sich dann. So ist schließlich Global United entstanden. Der Fußball hat mir so viele Möglichkeiten gegeben und mich zwei Mal zurück ins Leben geholt. Für mich war klar, dass ich eine Charity machen möchte – aber eine, die Sinn macht. Wir wollten den Fußball dazu benutzen, etwas Gutes zu tun, statt sich nur selbst darzustellen.

Sollten sich Fußballer politisch äußern?

Ich finde, dass Sport und Politik eigentlich nicht zusammengehören. Umweltschutz ist für mich jedoch nicht politisch. Es ist ein Thema, dass unseren nächsten zwei bis drei Generationen das Leben ermöglicht, das ist eine lebenserhaltende Maßnahme. Grundsätzlich finde ich aber, dass jeder seine politische Meinung haben sollte, den Fußball aber nicht als Plattform nutzen sollte.

Was wäre bezüglich Weltfußball dein größter Wunsch? Wo sollte der Hebel angesetzt werden, um etwas zu verändern?

Es ist eine Mischung von den ganzen wirklich großen Playern im Weltfußball. Zum Beispiel wünsche ich mir, dass mehr Kooperationen entstehen mit Organisationen wie uns, um noch mehr Projekte voranzutreiben. Vor allem in Gebieten, wo man mit sehr wenig sehr viel erreichen kann. Der afrikanische Kontinent ist dafür prädestiniert, um auch bestimmte Solarenergien nach vorne zu pushen. Es gibt ganz viele Möglichkeiten, wie die großen Dachverbände involviert sein könnten. Aber ich glaube, der Weg ist richtig eingeschlagen.

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