INTERVIEW MIT STADIONWELT

„Nachhaltigkeitsimpulse in den Sport bringen“

Aus dem Kontext der For-Future-Bewegung, hat sich mit „Sports For Future“ auch ein Verein aus dem Sport heraus gebildet. Im Interview mit Stadionwelt sprach Stefan Wagner, 1. Vorsitzender, über die Hintergrundidee von „Sports For Future“ und die Wichtigkeit von Klimaschutz.

Stadionwelt: Erläutern Sie zu Beginn doch erst einmal, was „Sports For Future“ ist und wie der Verein aufgebaut ist bzw. sich zusammensetzt.

Wagner: Entstanden ist der Verein aus der beruflichen Rolle heraus. Ich war 3,5 Jahre beim T-Mobile Team und dann etwas mehr als 8 Jahre beim HSV tätig und habe mich anschließend mit meiner Frau selbstständig gemacht. In dieser Rolle haben wir unter anderem den Nachhaltigkeitsbericht für den DFB geschrieben. Für die TSG Hoffenheim bin ich für die Stabsstelle Unternehmensentwicklung verantwortlich, in der das Thema Nachhaltigkeit zentraler Anker ist. Auch im Bereich Klimaschutz sind wir sehr aktiv und haben uns dann die Frage gestellt: Wo steht der Sport in Bezug auf die Klimakrise? Wir fanden, dass da noch ein gutes Stück Luft nach oben ist. Mit Blick auf die For-Future-Gruppen-Szene haben wir gesehen, dass der Sport noch nicht vertreten war. Das kam uns absurd vor, da der Sport so großartige Möglichkeiten hat, etwas zu diesem wichtigen Thema beizutragen. So lag die Idee von „Sports For Future“ auf der Hand. Mit der TSG Hoffenheim und dann Werder Bremen, VfL Osnabrück sowie der Deutschen Sportjugend als erste Ansprechpartner haben wir das Projekt initiiert und bis jetzt einen Unterstützerkreis von nicht ganz 300 Vereinen, Verbänden und Athlet*innen, die zusammen mehr als 22 Mio. Sportler*innen repräsentieren.

Stadionwelt: Seit 2019 gibt es Ihren Verein. Wie kam es zu der Gründung, wie liefen die Prozesse ab und was war der Initiativgedanke?

Wagner: Zu Beginn waren wir eine reine Initiative. Wir hatten eine Website, auf der man sich eintragen und unsere Position unterstützen konnte. Unser Grundgedanke ist es, die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens auf wissenschaftlicher Basis zu unterstützen. So wie es die Grundlage aller For-Future-Bewegungen ist. Wir möchten Nachhaltigkeitsimpulse in den Sport bringen und den Sport als Plattform nutzen, um Menschen in ihrem Alltag das Thema Klimaschutz näherzubringen. Mit einigen Protagonisten aus dem Netzwerk haben wir dann die Vereinsgründung forciert. Mit sieben Menschen haben wir uns gegründet, um den e.V.-Status zu erhalten und in diesem Zusammenhang Projekte als gemeinnütziger Verein umzusetzen.

Stadionwelt: Sie haben auf Ihrer Website Ihre Agenda niedergeschrieben. Darunter auch den Punkt „Sport fordern“ mit den Unterpunkten „Was sind Ziele?“ und „Wo sind Best Cases?“. Wie lauten Stand jetzt die Antworten auf diese beiden Fragen?

Wagner: Das Ziel ist, dass der Sport die Klimakrise als „Chance“ bzw. seine eigene Rolle als „Chance“ sieht. Chance hier in deutlichen Anführungszeichen. Wenn der Sport die Thematik nicht als Belastung oder als solche versteht, in der er sich in der Defensive sieht, sondern sich die Frage stellt: „Welche Wirkung haben wir in der Gesellschaft, wenn wir als Sport das Thema ernsthaft adressieren und ambitionierte Ziele setzen würden?“, hätten wir aus dem Sport sehr viel beizutragen. Es gibt überall gute Beispiele. Einen wirklichen, vollumfänglichen Best Case, der sein eigenes Wirken einem Nachhaltigkeitsprimat unterzieht, gibt es selten. Aber es gibt viele, die sich auf den Weg dahin gemacht haben. Einen Best Case gäbe es, wenn man nettonull oder sogar klimapositiv ist und dabei seine Emissionen auf Basis von ‚science based targets‘ reduziert hat. Der Verein, den man vielleicht als Erstes nennen kann und der sich dieser Thematik sehr weitgehend stellt, sind die Forest Green Rovers. Aber abgesehen davon merken wir auch gerade während der Corona-Pandemie, dass sich enorm viel tut. Wir führen Gespräche mit Vereinen, die sich Gedanken über die eigene Rolle machen. Da ist eine Dynamik entstanden, die es so vor ein oder zwei Jahren noch nicht gegeben hat.

Stadionwelt: Setzen Sie bestimmte Anforderungen oder bestimmtes Handeln voraus, die Unterzeichner erfüllen müssen, um Ihre Werte zu vertreten? Stellen Sie gewisse Forderungen, die eingehalten werden müssen?

Wagner: Nein, das tun wir explizit nicht. Es geht erst einmal darum – und das ist das Wichtigste – als Gesellschaft Rahmenbedingungen zu verabreden, die jede*n dazu bringen, das Pariser Klimaabkommen einzuhalten. Dafür brauchen wir übergeordnete Spielregeln, für die wir uns einsetzen. Wer seine Stimme geben möchte, ist willkommen. Es ist meiner Meinung nach wichtig, dass man nicht das Gefühl hat, man müsse schon etwas erreicht haben. Das können die wenigsten zu 100% vorweisen, denn sonst hätten wir dieses Problem gar nicht. Jemand, der sich wirklich über Sports For Future bekennt, der tut das nicht, um sich etwas ans Revers heften zu können, von dem er nicht wirklich überzeugt ist. Diejenigen beschäftigen sich ohnehin schon mit der Frage, und bereits in dem Moment entstehen weitere Entwicklungen. Deswegen ist nicht der Status Quo wichtig, sondern die Frage, wohin ich von dort aus gehe. Wir sind nicht die Instanz, die auf irgendjemanden mit dem Finger zeigt und sagt: Das hast du aber nicht richtig gemacht oder wir würden mehr erwarten. Wir sind diejenigen, die versuchen, Menschen und Akteure zu versammeln, die sich positiv zu dieser Thematik bekennen. Nicht mehr, aber vor allem auch nicht weniger.

Stadionwelt: Das Thema klimaneutraler Spieltag ist in der letzten Zeit immer häufiger präsent. Was braucht es Ihrer Meinung nach, damit das auch in naher Zukunft realisierbar ist, woran scheitert es derzeit vielleicht noch und was denken Sie, wie lange wird es noch dauern, bis es beispielsweise einen flächendeckenden klimaneutralen Bundesligaspieltag gibt?

Wagner: Also ich hoffe nicht, dass es in absehbarer Zeit einen klimaneutralen Spieltag gibt, sondern ich hoffe, dass es in absehbarer Zeit eine Bundesliga gibt, die sich zur Klimaneutralität bekennt – und zwar an allen Spieltagen. Letztlich kommt man zur Fragestellung, inwieweit Kompensationen helfen können. Also den nicht vermeidbaren Teil der Emission über entsprechende Projekte, die anderswo CO2 einsparen, zu kompensieren. Das ist momentan ein Mittel der Wahl. Das entlässt einen Verein aber nicht aus der Verantwortung, den eigenen Fußabdruck substanziell zu reduzieren. Klimaneutralität könnten sie, wenn sie wollten, morgen herstellen. Das ist am Ende auch eine wirtschaftliche Frage. Aber ich denke, in den Sportarten, die gut kommerzialisierbar sind, stehen die Kosten in einem guten Verhältnis zu dem, was man bewirken kann. Das meinte ich auch mit der „Chance“ für den Sport. Sich der Verantwortung bewusstwerden, dass die Durchführung einer Veranstaltung mit einem CO2-Fußabdruck verbunden ist. Diese Verantwortung gehört zum Kerngeschäft dazu, weil sie durch das Kerngeschäft entsteht.

Stadionwelt: Wie können Sie Ihre bisherigen „Erfolge“ oder „Errungenschaften“ quantifizierbar machen? Oder anders gefragt: Was hat „Sports For Future“ schon alles erreicht und was möchte „Sports For Future“ noch erreichen?

Wagner: Ich möchte es mal so ausdrücken: Ich glaube, jede*r Einzelne – egal, ob aus dem Sport, als Privatperson, als Unternehmer*in, als Politiker*in oder wie auch immer – hat einen Hebel in der Hand. Mal mit weniger Wirkung, mal mit mehr, aber alle stehen vor der Frage, was sie mit ihren Möglichkeiten tun – oder eben unterlassen. Wir haben durch unser Netzwerk Möglichkeiten und wir versuchen, diese so gut es geht auszuschöpfen. Wir sind an einem Punkt, an dem wir merken, dass erhebliche Dynamiken entstehen. Wir glauben und hoffen, dass wir etwas dazu beitragen. Wie groß unser Beitrag ist, ist nicht so wichtig. Wir – und möglichst viele andere – sollten versuchen, Ideen in den Diskurs einzubringen und so viel zu bewegen, wie es geht. Wenn wir das schaffen, dann ist das gut und wir freuen uns darüber. Aber das, was wir nicht schaffen, haben wir eben nicht geschafft.

Stadionwelt: Sie wollen die verbindende Kraft des Sportes nutzen, um den Herausforderungen der Klimakrise zu begegnen. Wie wichtig ist der Stellenwert prominenter Initiatoren und Unterstützer wie zum Beispiel von der TSG Hoffenheim, Werder Bremen, Fabian Hambüchen, dem DFB oder Anni Friesinger?

Wagner: Das ist elementar wichtig. Und es hat insofern auch eine echte Bedeutung, weil es einfach zeigt, dass das Thema kein parteipolitisches Thema ist. Es ist eines, das uns alle betrifft. Ganz unabhängig davon, wo wir in der Gesellschaft stehen. Und um das zu transportieren, ist der Sport ein gutes Vehikel. In diesem Zusammenhang ist es enorm wichtig, dass sich solche Akteure auf diese Weise dazu bekennen. Aber nicht nur die prominenten Beispiele sind relevant. Wir erleben es auch auf vielen anderen Ebenen. Es gibt beispielsweise eine junge Badminton-Spielerin, die sich sehr stark für das Thema engagiert und den Kontakt zwischen uns und dem Deutschen Badminton Verband hergestellt hat, weil sie der Meinung war, dass das Thema Gehör finden wollte. Wenn sich Sportler*innen wie sie für diese Sache einsetzen, hat das nochmal durch die persönliche Glaubwürdigkeit eine starke Wirkung.

Stadionwelt: Mit Sport4Trees haben Sie zudem eine Kampagne ins Leben gerufen. Können Sie hierzu abschließend ein paar Worte verlieren und erläutern, was es damit auf sich hat?

Wagner: Entstanden ist die Kampagne aus der Idee heraus, die wir schon mit dem Klima-Ticket der TSG Hoffenheim umgesetzt haben und bei der die Käufer*innen eines Tickets für einen Euro einen Baum pflanzen können. Und diese simple Systematik versuchen wir auf alle Ebenen bis hin in den Amateursport zu transportieren. Zum Beispiel in Form von Baumspardosen an der Kaffeetheke bei einem Bezirksligaspiel. Entweder wirft man sein Wechselgeld in die Dose oder tut es zurück ins Portemonnaie. Ganz egal, wie man sich entscheidet, gibt es einen kurzen Austausch, eine kurze Begegnung mit dem Thema. Nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern eher positiv und niedrigschwellig. Die Kampagne hat mit der TSG Hoffenheim oder dem FC Bayern München auch prominente Unterstützer*innen. Insgesamt unterstützen wir momentan in fünf Ländern Aufforstungs- oder Walderhalt-Projekte. Natürlich wissen wir, dass Aufforstung und Bäume pflanzen allein nicht das Klima retten werden, aber es leistet einen positiven Beitrag und bietet einen einfachen, verständlichen Zugang, der dazu einlädt, sich einzubringen und sich stärker mit der Klimakrise zu befassen.

(Stadionwelt, 26.04.2021)

Quelle: Stadionwelt